Innovative Strahlentherapie-Techniken im Kampf gegen Brustkrebs
Das Mammakarzinom gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen bei Frauen. Statistiken zur Häufigkeit der Neuerkrankungen sprechen von mehr als 70.000 Fällen pro Jahr. Doch Brustkrebs trifft nicht nur Frauen – jedes Jahr erhalten auch Männer die Diagnose. In der Behandlung des Mammakarzinoms wird nach wie vor häufig auf die chirurgische Entfernung des Tumors gesetzt. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit sind die Chemo- und Strahlentherapie. Letztere nutzt hochenergetische Strahlen zur Zerstörung der Krebszellen. Bei rechtzeitiger Diagnose hat das Mammakarzinom eine gute Prognose.
Trotzdem sucht die Medizin nach innovativen Methoden für die Behandlung – nicht nur zur Verbesserung der Heilungschancen, sondern auch zur Vermeidung chirurgischer Eingriffe. Ein Fokus liegt daher auf neuen Techniken in der Strahlentherapie bei Brustkrebs, über die dieser Artikel Ihnen einen Überblick verschaffen wird.
Übersicht über verschiedene Arten von Strahlentherapien bei Brustkrebs
In der medizinischen Praxis kommen verschiedene Arten der Strahlentherapie bei Brustkrebs zum Einsatz. Die Strahlentherapie setzt auf einen Energietransfer innerhalb des Gewebes. Hierdurch sollen die Zellen des Mammakarzinoms zerstört werden – etwa durch die Schädigung der DNA.
In gesundem Gewebe entwickelt sich ein Gleichgewicht aus Zellen, die neu entstehen und absterbenden Zellen. Die Apoptose (Zelltod) ist ein wichtiger regulatorischer Prozess. In Tumorgewebe ist der programmierte Zelltod allerdings gestört, weshalb es zu einem unkontrollierten Wachstum kommt.
Mithilfe fokussierter Strahlenpakete versucht die Medizin, das Absterben der Krebszellen zu bewirken. Die Radio-/Strahlentherapie geht auf die Entdeckungen von Wilhelm Conrad Röntgen 1895 zurück. Bereits 1897 gab es erste Behandlungsversuche mit den neu entdeckten Röntgenstrahlen. Für gynäkologische Karzinome wird die Strahlentherapie schon seit den 1910er Jahren eingesetzt. Allerdings schädigen die Strahlen nicht nur Krebszellen, sondern auf ihrem Weg in den Tumor auch gesundes Gewebe. Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten, mit den Nebenwirkungen der Strahlentherapie besser zu leben. Dennoch stellt sich die Frage, welche neuen und schonenderen Methoden die Strahlenmedizin zur selektiven Behandlung des Mammakarzinoms entwickelt hat.
Stereotaktische Strahlentherapie
Eines der Probleme bei Tumorerkrankungen – hier macht das Mammakarzinom keine Ausnahme – ist die Absiedelung in andere Körperregionen. Metastasen können sich unter anderem in Knochen oder Leber, Gehirn oder Lunge bilden. Die Behandlung der Metastasen ist genauso wichtig wie eine Therapie des Primärtumors.
Metastasen entstehen durch verschleppte Krebszellen. Diese gelangen über Lymphbahnen oder Blutgefäße in andere Organe. Dabei müssen nicht zwingend Organe in direkter Nachbarschaft zu einem Mammakarzinom betroffen sein. Gerade in den nächsten Lymphknoten finden sich aber immer wieder Krebszellen.
Die stereotaktische Bestrahlungstherapie wird bei Brustkrebs in der Behandlung von Metastasen benutzt. Kern der Therapie ist die Bestrahlung mit einer definierten Strahlendosis. Diese kann als hohe Einzeldosis oder verteilt auf mehrere Sitzungen verabreicht werden.
Wichtig ist, dass mit bildgebenden Verfahren die Lage des Tumors exakt bestimmt wird. Diese Verfahren kommen nicht nur in der Planung der Behandlung zum Einsatz, sondern vor dem Verabreichen jeder Strahlendosis. Damit kann die Lokalisation des Tumors noch einmal genau in den bildgebenden Verfahren überprüft und die Bestrahlung exakt ausgerichtet werden.
Intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT)
Die Verteilung der Strahlendosis lateral (also seitlich im Bereich des Tumors) und in der Tiefe ist eine der Herausforderungen bei der Behandlung des Mammakarzinoms. Dahinter steht der Anspruch, die wirksame Dosis im Tumor und nicht dem umliegenden Gewebe anzusetzen. Eine moderne Methode der Strahlentherapie ist das IMRT oder die intensitätsmodulierte Strahlentherapie. Der Vorteil: In der Behandlung kann die Strahlendosis in ihrer Intensität innerhalb des Strahlungsfeldes verändert werden.
Erreicht wird diese besondere Eigenschaft mithilfe von beweglichen Lamellen (Kollimatoren, ein spezielles Blendensystem). Damit erreicht die IMRT eine gezielte Anpassung an das klinische Bild eines individuellen Mammakarzinoms. Damit kann die Strahlentherapie den anatomischen Besonderheiten der Brustwand gerecht werden. Eine sehr genaue Abgrenzung zwischen dem Bereich mit einer hohen Dosisleistung und umgebenden Gewebe ist hier besonders wichtig – durch die Lage vieler Mammakarzinome in unmittelbarer Nähe zur Lunge oder zum Herz. Um eine bessere Schonung des Gewebes zu erreichen, wird hier ein Stehfeld-IMRT eingesetzt.
Volumetrisch modulierte Arc-Therapie (VMAT)
Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des IMRT. In der volumetrisch modulierten Arc-Therapie bewegt sich die Strahlenquelle um den Patienten. Was das Verfahren vom IMRT übernimmt, ist die wechselnde Strahlenintensität, um den Tumor gezielt zu treffen. Durch die Rotation treffen die Strahlenbündel aus verschiedenen Winkeln in den Tumor. Für Patienten bedeutet die Behandlung vor allem einen Zeitgewinn.
Die schnelle Bestrahlung verkürzt nicht nur die Behandlungsdauer je Sitzung. Schäden im gesunden Gewebe, die durch Verlagerungen des Tumors entstehen, werden durch das VMAT vermindert. Hintergrund: Ein Tumor wird in seiner Lage von verschiedenen Faktoren beeinflusst, beispielsweise den Bewegungen der umliegenden Organe. Der Einsatz eines zusätzlichen Freiheitsgrades kann das Behandlungsergebnis verbessern.
Intraoperative Strahlentherapie (IORT)
In dieser Methode werden der chirurgische Eingriff und die Strahlentherapie miteinander kombiniert. In der intraoperativen Strahlentherapie (intraoperative radiation therapy, IORT) wird zuerst das Mammakarzinom entfernt. Anschließend kommt es zur Bestrahlung des Tumorbettes und der Resektionsgrenzen.
Die Resektionsgrenzen für die chirurgische Entfernung verlaufen nicht automatisch entlang der Tumorgrenze. Es gibt Verfahren, bei denen ein Tumor Stückweise entfernt und die Tumorkapsel eröffnet wird. Bei einer weiten Resektion wird eine reaktive Zone mit entfernt, die Grenze verläuft im gesunden Gewebe.
Durch diese Methode soll verhindert werden, dass sich aus zurückbleibenden Tumorzellen ein neuer Tumor bildet. Die Medizin will mit diesem Verfahren die Rückfall- oder Rezidivrate verringern. In der Behandlung eines Mammakarzinoms bietet diese Methode gleich mehrere Vorteile. Sie setzt die Strahlung gezielt ein und kann die Behandlungszeit reduzieren.
Protonentherapie
Anders als herkömmliche Methoden der Strahlentherapie nutzt dieser Ansatz Protonen. Über Teilchenbeschleuniger werden positive und massereiche Protonen beschleunigt. Beim Auftreffen dringen diese in das Gewebe ein. Anders als in der Photonentherapie, die Energie über den gesamten Eintrittsweg freigibt und damit zu einer Schädigung des gesunden Gewebes führt, lässt sich das Wirkungsmaximum in der Protonentherapie steuern. Über die gewählte Beschleunigung bzw. Energie kann die Eindringtiefe festgelegt werden. Ist diese erreicht, setzen die Protonen den Bragg-Peak und ionisieren andere Teilchen. Auf diese Weise kann die Tumor-DNA geschädigt werden und die Zellen gehen zugrunde. Damit ist ein gezielter Ansatz der Strahlenbehandlung direkt im Tumor möglich, was zu geringeren Nebenwirkungen der Protonentherapie führt.
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Adaptive Strahlentherapie
Vor jeder Strahlentherapie wird der Eingriff genau geplant. Besonders wichtig ist die richtige Positionierung der Strahlenquelle. Bewegt sich der Patient, verschiebt er die Position des Tumors. Schäden am gesunden Gewebe und die unzureichende Entfernung des krankhaften Gewebes sind die Folge. Mit der adaptiven Strahlentherapie wird ein Tumor zerstört, während die Bestrahlung ständig angepasst wird. Es handelt sich daher um eine Methode, die bei sich veränderndem Gewebe zum Einsatz kommt, da sich dieser Aspekt auf die Tumorposition auswirkt.
Die Methode reagiert auf Unterschiede im Schrumpfungsverhalten eines Tumors. Gleichzeitig verändert sich der Körper eines Patienten unter der Behandlung, etwa durch einen Gewichtsverlust. Über die tägliche Kontrolle der Tumorlage und des Volumens mit bildgebenden Verfahren wie einem MRT lassen sich diese Änderungen erfassen und in den Bestrahlungsplan einarbeiten. Das Ziel ist es, hochenergetische Strahlung auch wirklich nur im Tumor landen zu lassen.
Molekular gezielte Strahlentherapie
Hier fließen verschiedene Therapieansätze zusammen: Einmal die Strahlentherapie als Möglichkeit, sehr fokussiert zu arbeiten, auf der anderen Seite die Molekularbiologie. Hintergrund: In einem vergleichsweise frühen Stadium kann die Strahlentherapie sehr wirksam sein. Sobald Brustkrebs allerdings Absiedlungen bildet, wird die Behandlung sehr komplex.
Gerade die sehr eng begrenzten Strahlentherapien kommen dann an ihre Grenzen. Die Chemotherapie zeigt sich als wirksam, geht aber sehr unspezifisch vor. Auftretende Nebenwirkungen sind erheblich. Hier kommt die Molekularbiologie ins Spiel. Menschliche Zellen nutzen Botenstoffe und Rezeptoren. Über diesen Weg wird zum Beispiel das Zellwachstum stimuliert. Bei Krebszellen sind einige der Rezeptoren in ihrer Anzahl sehr stark erhöht.
In der molekular zielgerichteten Therapie werden Inhibitoren für die DNA-Reparaturmechanismen mit der Strahlentherapie kombiniert. Das Ziel: Mit der Behandlung lassen sich noch effektiver Tumorzellen zerstören. Welche Inhibitoren und Antagonisten zum Einsatz kommen, hängt immer vom jeweiligen Tumor ab. Zur Wirksamkeit der molekular zielgerichteten Strahlentherapie laufen verschiedene klinische Studien.
Bildgeführte Strahlentherapie (IGRT)
Ein Problem bei vielen Behandlungen in der Strahlentherapie sind, wie bereits erwähnt, Lageänderungen des Tumors. Diese entstehen auf verschiedenen Wegen, häufig aber einfach durch Bewegungen innerer Organe. Aber auch die Haut selbst trägt dazu bei, dass die Effektivität einer Bestrahlung sinkt. In der herkömmlichen Strahlentherapie werden Marker auf die Haut gesetzt. Kommt es zu Veränderungen – etwa, weil die Haut selbst beweglich ist – verändert sich das Behandlungsergebnis. Außerdem erhöht sich das Risiko einer Schädigung des gesunden Gewebes.
Beim Mammakarzinom kann die Atembewegung die Lage des Tumors beeinflussen. In der bildgeführten Strahlentherapie (image guided radiotherapy) wird die Lage des Tumors über bildgebende Verfahren wie das CT überwacht. Kommt es zu Lageveränderungen, kann über den Lagerungstisch die Position anschließend korrigiert werden.
Hypofraktionierte Strahlentherapie
In der Behandlung von Brustkrebs wird die hypofraktionierte Strahlentherapie seit einigen Jahren eingesetzt. Das Ziel ist eine Verkürzung der Behandlungsdauer und eine Verringerung der Nebenwirkungen. Erreicht wird dies durch einen Zusammenfassung der Einzeldosen in der Behandlung von Brustkrebs. In der herkömmlichen Strahlentherapie wird pro Sitzung mit einer Dosis von bis zu 2.0 Gy (Gray) gearbeitet.
Je nach individuellem Bestrahlungsplan sind damit fast 30 Sitzungen nötig. Eine Zusammenfassung der jeweils verabreichten Dosis erreicht eine hohe Wirksamkeit. Wie Langzeitergebnisse zeigen, verringert sich das Auftreten von Nebenwirkungen trotz einer höheren Einzeldosis, weil die Behandlungszeit insgesamt deutlich verkürzt werden kann. Aus bis zu sechs Wochen können in bestimmten Fällen drei Wochen werden.
Ein weiterer Effekt ist bei der hypofraktionierten Strahlentherapie die Verringerung der Gesamtdosis. In diesem Punkt kommt zum Ausdruck, dass in der Behandlung eine höhere Einzeldosis und die Belastungen für das gesunde Gewebe ausbalanciert werden müssen.
4D-Strahlentherapie
Die 4D-Strahlentherapie (Körperstereotaxie) berücksichtigt ebenfalls die Bewegung von Tumoren und Organen während des Atmens und anderer physiologischer Prozesse. Damit ermöglicht die Methode eine präzise Bestrahlung von Tumorgewebe. Das gilt selbst dann, wenn es sich innerhalb des Körpers bewegt. Auf diese Weise minimiert die 4D-Strahlentherapie eine ungünstige Strahlenexposition des umgebenden gesunden Gewebes.
Letztlich bedeutet die 4D-Strahlentherapie die Implementierung des Faktors Zeit, von dem die Lageänderungen abhängen. Hierzu nutzt das Verfahren bildgebende Methoden wie CT oder MRT. Damit lässt sich die Position des Tumors bestimmen. Bewegt sich dieser nur um einige wenige Millimeter, ist eine 4D-Strahlentherapie nicht nötig. Gerade bei von der Atmung beeinflussten Bewegungen geht es aber um mehrere Zentimeter. Bei der 4D-Therapie gibt es zwei Ansätze: das Gating und das Tracking.
Gating bedeutet eine Aussetzung der Bestrahlung, wenn sich der Tumor aus dem Brennpunkt bewegt. Wandert er zurück, wird die Bestrahlung wieder aufgenommen. Diese Methode wird beispielsweise bei linksseitigem Brustkrebs eingesetzt, um eine Schonung des Herzens zu erreichen. Beim Tracking verfolgt der Strahl den Tumor in seiner Bewegung.
Die Zukunft der Strahlentherapie bei Brustkrebs
Brustkrebs hat bei früher Diagnose vergleichsweise gute Heilungschancen. Daher ist es auch so wichtig, regelmäßige radiologische Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen – das gilt auch für Privatpatienten. Dann ist es möglich, frühzeitig die richtige Therapie ins Auge zu fassen. Operationen mit der Entfernung des betroffenen Gewebes werden inzwischen zunehmend durch die Strahlentherapie unterstützt. In Zukunft kann diese – mit der Entwicklung neuer Geräte und der Möglichkeit eines besseren Tumor-Trackings bei Bewegungen – Brustkrebs noch gezielter bekämpfen. Unter anderem laufen auf dem Gebiet der molekularbiologischen und immuntherapeutischen Kombinationsbehandlung weiterhin intensive Forschungsarbeiten.